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(20) Das hab ich noch nie gemacht, das schaffe ich ganz sicher!

Es ist Montag! Zeit für einen Rückblick auf die vergangenen sieben Tage.
Ehrlich gesagt erscheint mir eine Woche zur Zeit jeweils wie ein Monat, so viel ist hinein gepackt. Für gewisse Anteile dieser Tage finde ich ein Zitat von Pippi Langstrumpf passend: "Das hab ich noch nie gemacht, das schaffe ich ganz sicher!"

Ich kann nicht alles davon hier erzählen, da Pastoren eine ganze Menge Arbeit in der Rubrik "Schweigepflicht" erledigen. Übrigens eine Sache, die mir besonders am Herzen liegt. Es ist schön, für Menschen da sein zu dürfen, die sich mit Sorgen und Herausforderungen an uns wenden. In den vergangenen Jahren habe ich dabei gelernt, dass Kriminalromane sich auch im wahren Leben ereignen - zum Glück nicht immer mit tödlichem Ausgang, aber oft nicht minder dramatisch.
Nehmen wir also die etwa 40% "Geheimarbeit" weg, dann bleiben immer noch 60% Offiziersalltag, von dem ich berichten kann.

Stichworte für diese Woche:

1.) Vom Brötchen zur Suppe.
2.) Wie erstelle ich einen Förderantrag?
3.) "Zeig, was für ein Soldat du bist!"
4.) Laut und kunterbunt.

Eine der wunderbaren Seiten unseres Berufes ist, zu sehen, wie viele Menschen gerne anderen etwas Gutes tun. So zum Beispiel ein Bäcker, der seinen ehemaligen mobilen Bäckerladen der Heilsarmee gespendet hat, um uns die aufsuchende Bedürftigenspeisung möglich zu machen. Seit Montag steht auf unserem Hof - tadaa! -der neue Einsatzwagen der Heilsarmee Chemnitz. Im September wird er voraussichtlich seinen Dienst aufnehmen und verschiedene Standorte in Chemnitz anfahren, um Menschen in Not mit warmen Mahlzeiten und hilfreichen Gesprächen zu versorgen.

Eine erste Proberunde für den Eiwa gab es bei der "Kirche Kunterbunt".

Nun aber zu Pippi Langstrumpf. Ich bin ja bekennender Bürokratie-DAU, weshalb mein lieber Ehemann sowohl privat als auch im Job für den größtmöglichen Teil der Anträge und Finanzgeschichten zuständig ist. Nun flatterte aber direkt in der ersten "Chemnitzer Woche" ein zu stellender Förderantrag ins Haus, der uns und einige Mitarbeiter gründlich beschäftigte. Gelegenheit, sich auf neue Arbeitsbereiche einzulassen. Ob es erfolgreich war wird sich zeigen - dann weiß ich, ob ich den nächsten Antrag ebenfalls auf meinen Schreibtisch nehmen oder doch an kompetentere Personen weitergeben sollte.

Etwas, was ich schon oft und mit zunehmender Begeisterung getan habe, ist das Unterrichten von Erwachsenen. Allerdings hätte ich nicht erwartet, in Woche 2,5 schon den ersten Soldatenkurs vor Ort zu beginnen. Normalerweise ist es der Traum jedes Heilsarmeeoffiziers, in seinem Korps (= Gemeinde) Menschen zu finden, die sich berufen fühlen, sich tatsächlich komplett mit dem Auftrag der Heilsarmee zu identifizieren und Heilssoldaten zu werden. Hier in Chemnitz anzukommen und gleich eine kleine Gruppe Interessierter vorzufinden, die bereits einen Termin zum ersten Kurs vereinbart hatten, war eine Überraschung. Ich freue mich sehr auf die gemeinsame "Reise" und bin gespannt, was daraus wächst. Einen kleinen Vorgeschmack hatte Gott mir dazu schon an meinem letzten Tag in Berlin gegeben. Nach einer intensiven Gebetszeit, in der er mir eine Mut machende Vision geschenkt hatte, traf ich vor unserem Haus drei Punks. Vor zwanzig Jahren waren Punks für mich der Inbegriff von "meine Herzensaufgabe von Gott in Chemnitz" geworden, und ich hatte in all den Jahren kaum mehr irgendwo einen gesehen - schon gar nicht in Berlin Friedenau. Diese drei Punks hörten Musik aus einer Boombox, und ich verstand nur einen einzigen Satz des Liedes: "Zeig, was für ein Soldat du bist!" Mal schauen, wie diese Geschichte weitergeht.

Zu guter Letzt gehören in diese Woche natürlich auch die Erlebnisse mit dem Familiencafé, McTurtle und Jugendclub. Ich liebe das Leben, das in der "Heilse" herrscht! Am Donnerstag war es besonders gut zu hören, dass hier energiegeladene Kinder und Jugendliche ein und aus gehen: der mobile Musikpavillon hatte seine Instrumente im Gemeindesaal ausgepackt. Mehrere Schlagzeuge, Gitarren, Bassgitarre, Geige, Keyboard und Mikrofon schön gleichzeitig und natürlich völlig unkoordiniert bespielt: das ergibt einen "fetten Sound" ;). Ich hatte ein wenig Mitleid vor allem mit der Violine, war aber auch total beeindruckt von einem ungefähr dreijährigen Mädchen, das am Schlagzeug wortwörtlich in Rhythmus und Bewegung versank.

Mein Traumbild für zukünftige Gottesdienste.

Gewöhnungsbedürftig sind für mich derzeit die Sonntage. Trotz Corona bin ich es gewohnt, am Sonntagmorgen einen Gottesdienst zu leiten und zu predigen, worauf ich mich während der Woche vorbereite. Das ist hier bisher nur ein einziges Mal der Fall gewesen - und ich vermisse es. Trotzdem gibt es natürlich auch in der Heilsarmee Chemnitz ein Gemeindeleben und Gottesdienste der besonderen Art. Richtig toll: Lobpreis (also gemeinsames Singen) ist hier erlaubt und wird auch gemacht - natürlich immer noch an Corona-Schutzmaßnahmen angepasst. In dieser Woche hieß der Gottesdienst "Kirche Kunterbunt" und fand auf dem Außengelände statt. Das McTurtle-Team brachte den Familien ein biblisches Gleichnis auf die gewohnt kreative Weise nahe.
Die Aufräumzeit hinterher war für mich übrigens genauso "Gottesdienst". Segnen, beten, reden und miteinander lachen: das ist Gemeinde, egal, in welchem Rahmen.

Jetzt fehlst nur noch du! Wann kommst du bei uns vorbei?

Nach dem Aufräumen passt die Stimmung immer noch.





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