Manchmal passiert es entsetzlich schnell. Völlig unerwartet werden Menschen aus dem Leben gerissen. Ein unvorstellbares Drama für diejenigen, die den Betroffenen lieben. Solche Ereignisse treffen ins Herz, erschüttern die, die zurückbleiben, bis ins Mark.
Ich habe viele Menschen kennengelernt, die das erlebt haben. Ihre Geschichten berühren mich tief.
Als Heilsarmeeoffiziere treffen mein Mann und ich den Tod auf viele Weisen.
Es sind Erlebnisse voller Emotionen, außergewöhnlich und doch so normal wie das Leben selbst.
Schön ist es, wenn Menschen alt und lebenssatt sterben, sich verabschieden konnten und den Tod dankbar willkommen heißen. Eine Beerdigung zu halten kann für mich dann beinahe wie eine schöne Feier sein. Sie ehrt ein Leben, das sein Ziel erreicht hat. Die Menschen, die zusammenkommen, erzählen sich voller Dankbarkeit von all dem Guten, das sie mit dem Verstorbenen verbindet. Als Christen glauben wir, dass das Leben hier auf der Erde nur der Anfang des Lebens ist, das Gott für uns bereit hält.
Die Heilsarmee formuliert es in ihrem elften Glaubensartikel so:
“Wir glauben an die Unsterblichkeit der Seele, an die Auferstehung des Leibes, an das Jüngste Gericht am Ende der Welt, an die ewige Glückseligkeit der Gerechten und an die ewige Strafe der Gottlosen.”
Die “ewige Strafe der Gottlosen” klingt für unsere toleranten Ohren sehr hart. Es wäre uns lieber, wenn von “ewiger Stille” oder “ewiger Glückseligkeite für alle” die Rede wäre. Bisher kann niemand nachweisen, was uns nach dem Tod wirklich erwartet.
Wenn wir, wie eine Maschine, mit dem Tod tatsächlich nur “ausgeknipst” werden, dann habe ich ein falsche Hoffnung verfolgt. Aber ich werde mich darüber in diesem Fall auch nicht mehr ärgern können.
Wenn es tatsächlich “ewige Glückseligkeit der Gerechten” gibt, dann möchte ich zu diesen gehören. Und wenn es eine “ewige Strafe der Gottlosen” gibt, dann wünsche ich mir, dass alle Menschen, denen ich begegne wissen: Gott möchte diese Strafe keinem einzigen auferlegen. Er möchte, dass jeder Mensch die “Glückseligkeit” erlebt.
In allen Religionen, die mir bekannt sind, ist dieses Thema präsent.
Die “Guten” kommen ins Paradies (oder schaffen es in den Zustand des Nirwana), die “Schlechten” werden entweder solange wiedergeboren bis sie es geschafft haben (wobei mir nicht ganz klar ist, wie man sich weiterentwickelt, wenn man sich an sein vorhergehendes Leben nicht deutlich erinnern kann). Oder sie erleben ähnlich schaurige Dinge wie “die ewige Strafe der Gottlosen”.
Der Unterschied zum christlichen Glauben ist der Weg, auf dem man zum “Gerechten” wird.
In jeder Religion - und auch im Atheismus - ist es eine reine Leistung. Entweder durch Bemühungen, ein fehlerfreies, achtsames Leben zu leben, oder durch Ersatzleistungen (Geld, Opfer, Pilgern usw.).
Wir Christen glauben, dass ein Geschenk uns gerecht macht.
Ich weiß, dass sich das für heutige Ohren einfach verrückt und unglaublich anhört.
Das Geschenk ist das, was Jesus freiwillig auf sich genommen hat: sein Tod.
Jeder kleine Fehler den ich mache, alles, was andere Menschen, andere Lebewesen oder die Schöpfung in irgendeiner Form verletzt, macht mich “ungerecht”. Jeder Gedanke, der lieblos ist, macht mich “ungerecht”.
Aber Gott liebt mich so sehr, dass er Mitleid hat. Er will den Tod nicht. Der Tod ist nur notwendig.
Ja, Not-wendig. Er wendet die Not, dass wir Menschen es nicht schaffen, zu hundert Prozent liebevoll zu sein.
Jesus, der “gerecht” und perfekt war, hat sich dem Tod ausgeliefert, obwohl er ihm eigentlich nie hätte begegnen müssen. Aber WIR müssen ihm begegnen.
Das ist Gottes Geschenk an uns. Jesus hat den Tod schon für uns überstanden. Er spricht uns gerecht, wenn wir verstehen, dass wir es aus eigener Kraft nicht zu hundert Prozent schaffen. Wir müssen dieses “Gerechtsprechen” nicht bezahlen oder ableisten. Wir müssen es nur annehmen.
So, als hätte jemand eine Villa mit Pool und lebenslanger Vollverpflegung für mich erworben und würde mir den Schlüssel dazu schenken. Kann ich ablehnen, weil ich nicht glaube, dass es stimmt.
Kann ich aber auch annehmen und dankbar sein.
Für mich als Heilsarmeeoffizier ist es das wichtigste Herzensanliegen, Menschen einzuladen, dieses Geschenk von Jesus anzunehmen.
Ich erlebe, wie ruhig Menschen dem Tod entgegensehen, wenn sie glauben, dass Jesus die “ewige Strafe” für sie schon weggenommen hat.
Und ich habe erlebt, wie Menschen gegen den Tod kämpfen.
Durch unseren Beruf sind Matthias und ich oft dabei, wenn jemand an der Schwelle des Todes steht. Es ist für mich eine schöne Aufgabe, mit jemandem zu beten, der schon beinahe alle Stricke gekappt hat, die ihn noch auf der Erde halten.
Ein ehrfürchtiger, heiliger Moment, wenn ein Mensch den letzten Atemzug getan hat und geht.
Aber Sterben ist nicht leicht.
Menschen halten sich manchmal beinahe bis zum letzten Moment für unsterblich. Einmal bat mich eine Bekannte, ins Krankenhaus zu gehen. Ihre Nachbarin lag dort, und es war medizinisch hoch wahrscheinlich, dass sie sich nicht wieder erholen würde. “Kannst du bitte mit ihr über den Tod sprechen”, bat meine Bekannte. “Sie ist so traurig und verbittert. Ich wünsche ihr von Herzen, dass sie Jesus findet und mit ihm nach dem Tod weiterleben kann.”
Eine Bitte, die mich einige Überwindung kostete. Auch für mich ist es nicht einfach, eine fremde Person so ganz direkt auf den Tod anzusprechen, ohne, dass diese selbst darum gebeten hätte.
Ich habe es trotzdem getan, und die Frau ließ mich reden. Dann fragte ich, ob ich für sie beten dürfte - sie selbst war schon sehr schwach. “Nein. Vielleicht ein anderes Mal”, wehrte sie ab. Ich wusste, dass ich ihre Entscheidung respektieren würde. Trotzdem sagte ich vorsichtig: “Ich weiß nicht, ob es noch ein anderes Mal geben wird.” Da hielt sie mir ihre Hand hin, und wir beteten.
Ob sie nach dem Tod, der nicht mehr lange auf sich warten ließ, die “ewige Glückseligkeit” gefunden hat?
Ich werde es wissen, wenn ich selbst diesen Weg gegangen bin.
Der Tod beschäftigt jeden Menschen auf seine eigene Weise.
Die Bibel drückt es in Psalm 90,12 so aus: “Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden.”
Es hat Auswirkung auf mein Leben, ob ich dem Tod ohne Angst entgegen sehe, oder ob ich mich davor fürchte.
Es verändert meinen Lebensstil, wenn ich dankbar für das Geschenk bin, dass Jesus mir gemacht hat.
Ich wünsche dir, dass du frei und ohne Angst dein Leben leben kannst. Ich wünsche dir Trost und neue Hoffnung, wenn du einen geliebten Menschen gehen lassen musstest.
Und ich wünsche uns allen, dass wir verstehen, wie sehr Gott uns liebt. Dass wir nicht aus Krampf, sondern aus Dankbarkeit als “Gerechte” leben, und Gottes Liebe durch unser Leben über die ganze Welt verteilen.
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